Verloren und Wiederentdeckt: Simon über Barca


Gut Ding muss manchmal Weile haben.Im Frühjahr 2011 haben wir Simon in Barca besucht und wollten ziemlich zeitnah ein kleines Interview mit ihm über seine Erfahrungen im Skateboard Mekka führen. Das haben wir auch, doch der komplette Text verschwand von Simons Festplatte... Aber,vor kurzem hat er ihn per Zufall in einem Zwischenspeicher wieder gefunden! Na denn, jetzt haben wir Ende 2012 und man stelle sich den Text in Vergangenheitsform vor. Bis auf den Schluss, der ist aktuell geworden! 
Als Erinnerung hat Simon jede Menge tolle Fotografien von befreundeten Fotografen mitgebracht. Fry sagt Danke, dass wir die Bilder hierfür benutzen dürfen! 
So, Simon erzähl doch mal wie das so ist...
Bs Noseblunt. Foto: Rafael Gonzalez



HalliHallo aus der Barcelona Heimat!
Phil hat mich gefragt, ob wir nicht für den von ihm, Bo und Basa entworfenen oberartsyfartsy-Blog Fry-zine ein kleines Interview im Erzählstyle über meine Zeit in Barca machen sollen. Gesagt, getan! Viel Spaß mit meinen Eindrücken aus 10 Monaten Barcelona, ab geht die Post!

Fs Tailslide. Foto: Daniel Lober


Im Moment befinde ich mich in Barcelona wo ich seit September letzten Jahres wohne um einen europäischen Freiwilligendienst an der autonomen Universität Barcelonas, genauer gesagt in einem kleinen sozialen Werk auf dem Campus,  zu absolvieren. Vor meiner Ankunft letztes Jahr habe ich meiner Zeit hier noch mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Einerseits war ich megagehyped auf diese geile Skatestadt, hatte aber auch, aufgrund meiner eingerosteten Spanischkentnisse aus der Schule, ein wenig Bammel vor dem, was mich arbeitstechnisch erwartet. Wie so viele Sorgen und Ängste die man hegt, hat sich auch hier herausgestellt, dass, was man sich anfangs als Problem ausmalt, oftmals halb so wild ist. 
Drop In. Foto: Stefan Zanette

Da in meinem Büro so gut wie niemand Englisch gesprochen hat war ich  dazu gezwungen den ganzen Tag in Spanisch zu kommunizieren, wodurch es dann auch relativ schnell voran ging. Meine Arbeit hier gefällt mir sehr gut und ist wahnsinnig vielfältig. In den 10 Monaten meines Freiwilligendienstes hier habe ich die Möglichkeit gehabt in Krankenhäusern, Schulzentren, Gefängnissen und Altenheimen zu arbeiten. Einziger Minuspunkt ist, dass die autonome Uni eine Dreiviertelstunde vom Zentrum Barcelonas entfernt ist was die täglichen Skateexzesse und das Partyleben in den ersten vier Monaten meines Aufenthalts ein wenig stressig gemacht hat. Der Stress rührte vor allem daher, dass die Bleibe, die mir von meiner Organisation angeboten wurde, sich in einer Studentenresidenz auf dem Campus befand und somit zwar nahe bei der Arbeit aber weit vom Leben entfernt war. 
Dogpiss. Foto: Rafael Gonzalez

Letztendlich haben verschiedene Faktoren, hauptsächlich meine Mitbewohner und die Tatsache, dass ich mir mein Zimmer dort mit einem anderen Typen teilen musste, dazu beigetragen, dass ich mich entschieden habe aus der dortigen Butze auszuziehen und mich ins Zentrum Barcelonas aufzumachen. 
Durch einen der vielen Skatehomies, die ich hier kennen gelernt habe, namentlich Fonsi (ein sympathischer Skaterboi aus Malaga, der den ganzen Tag nur Skaten und Pussys im Kopf hat), habe ich ein Zimmer in seiner derzeitigen Bude ergattern können. Die Wohnung befindet sich ungefähr fünf Minuten Push-Weg vom Parallel entfernt und liegt direkt am Fuße des Montjuic, eines Berges mitten in Barcelona. Mein Umzug hat das Leben hier um einiges entspannter gemacht. Zwar habe ich jetzt den langen Weg zur Arbeit, aber bin dafür, nachdem diese verrichtet ist, direkt im Zentrum, wo sich das Skate- und Partyleben abspielt und wo auch der größte Teil meiner Freunde wohnt. 
Fs Feeble. Foto: Stefan Zanette

So kommen wir jetzt endlich mal zum für die Leser Fry-zines wohl interessantesten Teil des Artikels: Skaten in Barca! Wie einem Großteil wahrscheinlich schon bekannt sein wird, hat Barcelona den Ruf aus Skateboardträumen gemacht zu sein, wohinter ich hiermit mal ein dickes Ausrufezeichen setzen will! 
Bs Lipslide. Foto: Rafael Gonzalez

Die Spotvielfalt auf kleinstem Raum ist wirklich unglaublich und es scheint nicht aufzuhören. Man entdeckt immer wieder neue Spots oder alte Spots werden durch Skatestopper neu befahrbar Die Stadtverwaltung samt Architekten scheint unfähig zu sein irgendetwas zu konstruieren, das sich nicht skaten lässt. 
Das Thema BUST wird zwar immer wieder hochgepusht, ist aber im Endeffekt halb so wild. Es gibt schon einige Spots, vor allem Mitten im Zentrum (Universitat, World Trade Center oder Macba) an denen man vorsichtig sein muss, dass man nicht mal auf einen Bullen trifft der dir direkt das Brett wegnimmt und dir eine 750 Euro-Strafe aufbrummen will, aber der Großteil der Spots ist stressfrei befahrbar. Und auch wenn man mal ein Ticket kassiert ist das schlimmste was dir passieren kann, dass sie dir dein Brett wegnehmen, da sie denken dadurch ein Druckmittel zu haben um die eigentliche Strafe aus dir rauszukitzeln. 
Ollie to Fs Smith. Foto: Rafael Gonzalez

Mein Tipp ist auf jeden Fall, keine Dokumente mit in die Stadt zu nehmen und am besten Englisch oder Deutsch mit den Cops zu reden, da es Ihnen so, aufgrund der fatalen Fremdsprachenkenntnisse in Spanien, irgendwann zu blöd wird dir (euch) klar zu machen was sie eigentlich wollen. Auch die Skateszene hier ist meiner Meinung nach eine der offensten und entspanntesten überhaupt.
Fs Nosegrind Pop out. Foto: Phil Gehrke

Trotz des hohen Levels und der vielen „Berühmtheiten“ gibt es so gut wie kein gehate oder abgehobenes „Ich-red-nicht-mit-dir-weil-dein-tre-flip-nicht-schere-genug-ist-gehabe“. Jeder ist hier down mit jedem und es interessiert nicht auf welchem Level du dich auf dem Rollbrett bewegst, solange man erkennen kann, dass du Spaß und Leidenschaft für Skateboarding aufbringst. 
Einer der interessantesten Aspekte des Lebens und Skatens in Barca ist wahrscheinlich auch der unglaubliche Nationalitäten-Mischmasch. Du musst den ganzen Tag wild auf Englisch, Französisch, Spanisch und Catalan durch die Gegend kommunizieren und hast auch noch die Möglichkeit von so vielen anderen Sprachen, die hier vertreten sind, etwas aufzuschnappen. Ich glaube, dass ich das auch mit am meisten vermissen werde wenn ich wieder zurück in Deutschland bin.
Ollie to Fs Smithgrind. Foto: Paul Weisser.

Doch trotz aller Lobpreisungen auf diese großartige Stadt, weiß ich nicht wirklich ob ich (momentan jedenfalls) mit einem dauerhaften Aufenthalt klar kommen würde. Man lernt hier auch viele Leute kennen bei denen man das Gefühl hat, dass sie einfach in Barcelona stecken geblieben sind. Die sich mit kleinen Arbeiten (wie Call-Center, Transporter beladen oder Kellnern) über Wasser halten und sonst von morgens bis abends nur am Macba rumgammeln um Bier zu trinken und Joints zu rauchen. 
Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich auf jeden Fall, was meine berufliche Zukunft angeht, erst mal etwas auf die Reihe bekommen möchte bevor ich es laufen lasse. 
Bs Tailslide. Foto: Rafael Gonzalez

Wo wir gerade beim Thema Zukunft angelangt sind, erzähle ich noch kurz was bei mir wahrscheinlich als nächste kommt. Wie gut 2/3 aller Freiburger Skaterboys strebe ich ein Lehramtsstudium nach meiner Rückkehr nach Deutschland an. 
Ich hab hier in verschiedene Schulzentren gearbeitet und in einem Jugendgefängnis Englisch unterrichtet, was mich dem Lehrertum näher gebracht und mir aufgezeigt hat, dass ich wirklich Spaß am unterrichten habe und ich mir das gut vorstellen könnte. Schauen wir mal ob ich einen Studienplatz bekomme, dieses Jahr herrscht ja der doppelte Andrang auf die Universitäten da zwei Generationen zusammen Abitur machen. 
Wenn nicht, vielleicht arbeiten und so schnell wie möglich noch mal ein paar Monate nach Barca abhauen!
(Insgeheim hoffe ich drauf haha)
Fs Rock ´n´ Roll. Foto: Rafael Gonzalez