My First Love

Our Daily View


Ein Liebesbeweis, ein Appell und eine Anklage, ein Aufruf, ein Erklärungsversuch, ein wenig Schmacht, ein wenig (oder doch etwas mehr) Wut und Hoffnungslosigkeit gemischt mit Trotz, eine Kampfansage, eine Gesellschaftskritik, eine Polarisierung, ein Manifest, alles oder nichts –für immer ein Fragment...





Es fing vor langer Zeit während eines Urlaubs in Berlin an. Um möglicherweise entstehender Langeweile präventiv entgegenzutreten, nahm ich kurzerhand mein altes Kaufhaus-Skateboard mit Batman unten drauf mit. Dieses schäbige Ding beschäftigte mich die ganze Woche, obwohl ich kaum einen Trick lernte, geschweige denn deren Namen gewusst hätte. Ich wusste nur eins: Damit machste weiter!
Inspirierendes Sichten von Skateboardern währen der Sight Seeing Touren mit den Eltern erweiterten meinen Horizont und sorgten für einen durchgehend geöffneten Mund, den man berechtigter Weise als Staunen interpretieren durfte. Die kindliche Faszination für diese künstlerische Art der Fortbewegung bilden wohl die Basis für diese tiefe und anhaltende Freundschaft mit Skateboarding –kein Ende in Sicht!
Crew in Barca


Den meisten ging oder geht es so wie mir. Ihren ersten Kontakt mit Skateboarding haben sie auf der Straße (wilde und freie Natur) und nicht im Skatepark (Zoo). Ein Skateboarder der durch die Straßen pusht und scheinbar mühelos zwischen den Fußgängern durch rollt und mit einer unglaublich genialen Bewegung mit seinem Board den Randstein hochspringt. Brett und Skateboarder bilden eine ganz natürliche Symbiose, als hätte sich ein Teil der Menschheit schon immer so fort bewegt!
Unterbewusst hat das kindliche Gemüt den Duft der Freiheit, den so ein Skateboard umgibt, geschnuppert. Eine Fünkchen Ahnung, dass man den großen urbanen Raum der betonierten Welt damit neu entdecken und nutzen kann, hat sich gebildet.
Crew in Vienna


In meinem Fall bedeutet das über 13 Jahre Skateboarding und die meiste Zeit davon ganz sprichwörtlich auf der Straße, zum Beispiel an Busbahnhöfen, Schulhöfen, Industriegebieten, verlassenen Lagerhallen, abgeschiedenen Orten, Brachland, auf öffentlichen Plätzen, in U-Bahnhöfen undwoweiterundsofort... Asphalt, Beton, Stein, Granit, Marmor, Edelstahl, etc. sind zu guten Bekannten geworden.
Crew in Rav


Man sieht seine gewohnte Umgebung mit neuen Augen, überall kann man plötzlich skatebare Spots entdecken und stellt sich in Gedanken vor, was man selbst –oder ein anderer Skateboarder- dort für einen Trick machen könnte. Man teilt sein Wissen der neuen Entdeckung mit seinen Freunden, verabredet sich zusammen um den neuen Spot zu skaten. Gemeinsames Erleben von Spaß, Selbstüberwindung, Bewegung, Abschätzung von Mut, Risiko und den eigenen Fähigkeiten, Schmerz und Leid, Freude und Anerkennung erwarten einen dabei.
Crew in Prag


Doch diese Harmonie (da gehören Leid, Schmerz und Frust durchaus mal dazu!) wird aus der Sicht eines Skateboarders leider sehr oft und schnell gestört durch Anwohner, Hausmeister, Securities, der Polizei oder durch Passanten, die zufällig vorbei gekommen sind. Sie fühlen sich gestört durch Skateboarding und durch die Skateboarder! Skateboarding macht Lärm, nicht nur die Geräusche des Brettes, der Rollen und der Achsen, auch der Lärm der Gruppe (Anfeuerung, einen gestandenen Trick gemeinsam abfeiern, Schreie und Flüche wenn es mal nicht so läuft und weh tut, Dauer-kommunikation unter den Protagonisten) trägt einen großen Teil dazu bei. Skateboarding hinterlässt außerdem oft deutliche Spuren, unter anderem an Treppengeländern oder Sitzbänken jeglicher Art, die von Skateboardern zweckentfremdet werden.
Die guten Kanten gibts mal hier...


Da sehr oft gute Spots an denen man auch ungestört skaten kann an den abgesifftesten oder unsichersten Ecken der Stadt gefunden werden, an denen oft Menschen, die von sich selbst oder durch die Gesellschaft an den Rand selbiger gedrängt wurden, werden Skateboarder vom Otto-Normal-Bürger meist direkt in die selbe Schublade gesteckt.
„Wie kann man nur jeden Tag am Bahnhof neben all den Pennern, Assis, Alkis oder Junkies skaten und abhängen? Ihr seid doch selbst alle Siffer und Kiffer und habt keine Lust zu arbeiten, ihr Rowdies!“
Viele solcher Sprüche habe ich schon hören müssen, die voller Abscheu und mit viel Aggression von vermeintlichen Vorzeige-Bürgern gegenüber Skateboardern ausgesprochen wurden. Diskussionen, um einen Kompromiss zu erreichen, sind meistens zwecklos, der Spruch „Da diskutier ich nicht!“ und der anschließende Griff zum Handy unter der Drohung die Polizei zu rufen, scheint gegenüber Skateboardern wie eine Endlosschleife durch die Welt zu streifen!
Kaum einer hat ein Verständnis dafür dass eine kleine Gruppe Menschen beispielsweise Sitzbänke, Treppen oder Treppengeländer des öffentlichen Raumes einfach anders zu nutzen weiß, wie die meisten anderen Menschen. Aber ist diese andere Art der Nutzung wirklich so schlimm, darf es nur diesen einen vorgegebenen Interpretationsansatz geben? Ist diese Art der „Zerstörung“ wirklich so groß?
...oder da


Oder ist es die Angst der Gesellschaft vor Andersartigkeit, vor dem Abweichen von der Masse und Norm, vor einem Stück Freiheit und Ungezwungenheit, vor einer Wohnzimmer-Mentalität im öffentlichen urbanen Raum? 
Wohnzimmer gibt es überall


Ist es eventuell ab und an einmal einfach nur Neid? Warum mischen sich so viele Menschen im Hilfssherrif- und Selbstjustiz-Style in Dinge ein die sie eigentlich nicht wirklich etwas angehen? Versteht die Gesellschaft darunter etwa einen erstrebenswerten Zivilcourage-Begriff; obwohl kaum einer Zivilcourage zeigt wenn sie wirklich angebracht wäre; wenn es z.B. um Körperverletzung und nicht um minimale Sachbeschädigung durch Skateboarding geht..? Warum sind die braven Bürger damit im  Recht und warum können sie nicht einfach mal Fünf gerade sein lassen –es ist doch nur Skateboarding?!
Dienst ist Dienst


Aber was bedeutet das für die Realität, für den Alltag der Skateboarder? Das bedeutet unter anderem Stress mit Anwohnern, von verbalen Auseinandersetzungen bis zu Handgreiflichkeiten, Unmengen Schimpfwörter und Beleidigungen gilt es auszuhalten; Dauerkontakt mit Securities und der Polizei von der man regelmäßig Kontrollen aller Art über sich ergehen lassen muss resultieren daraus; Anzeigen wegen Ruhestörung, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch werden zur Normalität...
Überwachungskameras immer dabei


Warum lassen sich die meisten Skateboarder trotz dieser regelmäßigen Vorfälle nicht von ihrer Leidenschaft abbringen und nehmen dafür diese unangenehmen Begleiterscheinungen (murrend) in Kauf?

Weil das, was man von Skateboarding zurück bekommt, es verdammt noch mal wert ist!
Eine gute Session ist Alles (Elch, Mühle und Simon in Barca)


Das Gefühl, der Sound, der dazugehörige Freundeskreis und dessen Musikgeschmack, die Gespräche mit den Freunden, ein ästhetisches Empfinden für Film, Fotografie und Architektur; Selbsteinschätzung und Selbstüberwindung profitieren enorm, Leid, Schmerz und Niederlagen –was zu jedem Menschenleben gehört- stärken den Charakter, die Persönlichkeit und das Selbstbewusstsein...
Diese Liste könnte endlos weiter gehen auch wenn das nicht auf jeden Skateboarder gleichermaßen zutrifft, auch unter Skateboardern gibt es logischerweise Arschlöcher!

Leider ist kaum ein Nicht-Skateboarder bereit einen gewissen Teil an Toleranz oder Interesse Skateboardern entgegenzubringen, keinen interessiert der Mensch dahinter, was das überhaupt für Menschen sind, die Skateboarden!
Als Beispiel dient mein Freundeskreis:
Lehrer, Familienväter, Arbeitslose, Schüler aller Schultypen, Auszubildende, Schulabbrecher, Malocher, Studenten, Musiker, Selbstständige, undsoweiterundsofort... 
"King of Heimatland" Crew (Pic von Bo)


Ein kleiner Querschnitt durch unsere Gesamtgesellschaft!

Von dieser Gesellschaft Toleranz für diesen bunten Haufen zu verlangen scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Das vor allem in der USA und auch in Europa, immer mehr talentierte Menschen in den unterschiedlichsten Arten von ihrer „First Love“ leben können und es sogar schon die ersten Skateboard-Millionäre gibt, nimmt unsere Gesellschaft nur in vorgekauter und kommerzialisierter Form von TV Formaten, wie Contests mit Preisgeldern in der Höhe von 100.000 Dollar, war! Hier werden typische Extrem Sport Helden á Evil Knievel geschaffen, richtig wilde Kerle die aber dennoch TV tauglich sind.

Aber die meisten Skateboarder wollen keine Helden sein, sondern Menschen, die eben eine besondere Leidenschaft pflegen und bereit sind dafür fast alles zu geben. Ihren Ursprung haben sie auf der Straße und viele werden Straßenköter bleiben und ihr eigenes Ding durchziehen!
So gehts auch



Do-it-Yourself –Reclaim the Streets – Skateboarding for Life!


"Props" an alle Skateboarder (Ritzgrafitti gefunden in Barca)