Rollberg am 30. Juni


Am 30. Juni ist es wieder soweit. Im Cube Club geht es wieder rund auf der Tanzfläche. Aber nicht unbedingt wie man das gewohnt ist, sondern auf dem Rollbrett. Die letzte Party war schon ein Erfolg, jetzt wird nachgelegt. Wir haben vorab mal mit Martin Kowalski gesprochen und ein paar Infos eingeholt. Aber lest selbst, was der Herr zu sagen hat.


Martin, stell dich doch mal kurz vor und erzähl uns was du so machst.
Ich bin aus dem Rheinland und wohne seit 12 Jahren in Berlin. Ich bin damals aufgrund meines Studiums (Soziologie, Philosophie, Politik) nach Kreuzberg gezogen und fühle mich hier sehr wohl. Ich bin Schriftsteller, fummle an Romanen und Theaterstücken rum, das ist aber bisher alles Firlefanz. Ein Sachbuch über die RAF habe ich geschrieben. Sonst bin ich Skater, Sozialphilosoph (Kritische Theorie) und streng gläubiger Atheist, also gnadenlos intellektuell verblendet. Beschäftige mich mit Adorno, Marx, Beckett und sone Sachen – oder Werner Enke, dem zweitgrößten deutschen Schauspieler. Mein offizieller Status: arbeitssuchender Kreativling auf Hartz, mit Tendenz zum Hedonismus.

Kannst du uns auch einen kleinen Einblick in deinen Skateboardwerdegang geben?
Viel zu sinnvolle Frage! Ich und mein Skateboard? Wir lieben uns noch immer, seit damals, als wir das erste Mal zusammen „Spaß“ hatten. Wir sind jetzt seit 24 Jahren glücklich verheiratet. Mit einigen anderen von Kippen Flow feiern wir nächstes Jahr unsere silberne Hochzeit, natürlich mit der ganzen Familie. Sonst die klassische Karriere: Typen mit Brett gesehen, auch haben wollen, nicht mehr aufgehört. Das hat mir dann, wie so vielen anderen, das Leben gerettet. Nosewheelies werde ich wohl machen, so lange ich krauchen kann.



Martin (Bild: William Greensmith)

Kippen Flow? Wer oder was ist das?
Hab mal gegoogelt.
Wer ist eigentlich dieser Neppik Wolf? Das fragen wir uns auch immer! Bzw.: gar nicht, aber die Leute wollen das dauernd wissen und wir wissen nicht, was wir sagen sollen! Definitiv fest steht: es kursieren diverse Gerüchte. Eine Version besagt, dass es sich um eine neue, angesagte Skateboard Company für Straßenhunde handelt. Gibt ja jetzt immer mehr Hunde, die Skateboard fahren. Ganz neuer Markt, da sind Millionen drin. Am Hasenhide Out [Anm. d. Red.: Hasenhaide ist ein Skatepark in Berlin] soll tatsächlich schon ein Dawg mit seinem Pro Model gesichtet worden sein. Manche sagen, dass es sich bei Kippen Flow um eine mittelprächtig gefährliche Neuköllner Straßengang handelt, die unter der Leitung einer dubiosen Geschäftsfrau (Street Name „Erna“) seit Jahren die großen Skate Companys erfolglos um Schutzgeld erpresst.
Das wird von anderen aber wiederum heftig dementiert: Kippen Flow sei eine schlimme Sekte, die ihre Mitglieder zum Mongopushen und zu abstrusen sexuellen Praktiken mit Longboards zwingt. Einige sagen aber auch: „Kippen Flow gibt es gar nicht, Kippen Flow ist nur ein verkackter Mythos!“ oder sogar: „Kippen Flow ist tot, scheiß auf Kippen Flow!“ Diese Leute mögen nicht unrecht haben, aber jetzt mal im Ernst: das Kippen Flow Team – sind wir das nicht alle irgendwie? Meine lieben Brüder, Schwestern und Transgenders? Fragen wir uns nicht alle täglich: Wer ist Kippen Flow? – Und wissen es doch ganz genau? Tief innen drin, in unseren kleinen verschrumpelten Herzen? Ist es nicht der Glaube, der Kippen Flow wahr werden lässt? Ist Kippen Flow nicht unsere einzige Hoffnung? – Was wirst DU sagen, wenn dein Nächster dich fragt: „Hassemanegibbe?“

Hätten wir das auch geklärt. Ihr habt vor einiger Zeit eine Party im CUBE Club organisiert und macht jetzt noch mal eine. War die erste Party so gut, dass ihr euch dachtet, ihr müsst das nochmal machen oder was ist der Hintergrund?
Die Gelegenheit zu der Party ergab sich aus einem neu eröffneten Club mit extravaganten Ausmaßen und aufgeschlossenen Betreibern. Die riesige Halle, der perfekte Boden und das 20 m Manual Pad haben uns gar keine andere Wahl gelassen: Hier musste eine Skate-Party stattfinden. Das Feedback ist bisher großartig und wir hoffen, den Rollberg einmal monatlich machen zu können. Geplant war eigentlich gar nix, ergeben hat sich alles bisher quasi von selbst. Rollerei, Kippen Flow und Ketchuplane haben (einen) durchgezogen, andere haben mitgezogen, jetzt rollt es am Rollberg. Und wie bei allen wirklich guten Dingen war es ein spontanes Produkt von Menschen mit Herz und Hand. Alles do-it-your-fuckin'-self und No Budget. Es wurden Obstacles aus Paletten gebaut, andere haben Rampen gespendet oder geliehen, innerhalb eines Monats haben wir zusammen eine denkwürdige Skate-Nacht organisiert. Danke an alle! Das zeigt, dass es immer ein paar Wenige gibt, die es rocken und dabei Großartiges schaffen können. Jetzt wollen wir es am 30. Juni richtig krachen lassen, die Party am 24. Mai war sozusagen nur ein kleines Vorglühen...



Der Trailer zur Party

Das war ein Vorglühen? Was ist denn geplant?
Eine Skateparty der Sonderklasse! Es gibt einen BEST TRICK CONTEST hosted by Papa Arne von RADIO, gesponsort mit ner Menge Stuff by everyone. Wir haben eine dreiseitige Pyra (Bank/Tranny/Wobbel) von der 3ECK-Crew, die schon auf dem 48- Stunden-Neukölln Festival präsentiert wurde. Die Rampe ist der Knaller. Sonst wird es die Obstacles vom letzten Mal geben – all night looong! Einen „Old School-Curb“ kann ich noch augenzwinkernd ankündigen. Es wird eine OPEN MIC SESSION inklusive Live Band und mit diversen Special Guests geben. Wir haben Wände, auf denen live gemalt werden wird, überhaupt wird es eine Menge Kunst zu sehen geben. In der Gallery hinter dem Club findet der URBAN ART CLASH statt, das machen die Jungs aus dem Umfeld des Kunsthaus Tacheles. Im Club selbst gibt es erst LIVE MUSIK und ab 23 Uhr startet dj stonegate seine ULTIMATIVE SOUNDTRACK PARTY mit den besten Tracks der Filmgeschichte. Wenn das nicht die fetteste Skateboard- und Street Art-Party Berlins wird, weiß ich auch nicht, was man tun soll.

Und den Rollberg soll es einmal im Monat geben? Meinst du nicht, das ist zu viel und der spezielle Charakter der Veranstaltung geht dadurch verloren?
Nein, eine Skatesession ist auch oft am gleichen Spot mit den gleichen Tricks und den gleichen Homies. Und trotzdem ist es jedes Mal verschieden. Aber ich weiß, was du meinst: der Skatepark mit den immer gleichen Atzen wird halt auch mal langweilig. Was den Rollberg ausmacht, ist, dass die Obstacles flexibel sind und sich während der Session verschieben lassen, eine DIY-Skatehalle eben. Ich möchte die Skate-Session auch mit allerlei Spielen aufmischen. Zum Beispiel mit einem Neil Blender Contest, mit Runs in seiner unverwechselbaren Art. Ansonsten: Jet-Race, Obstacle Stacking Contest, Poser Contest, es gibt viele Dinge, die man machen könnte. Ich denke, da es solch einen Ort bisher nicht gegeben hat, kann man sich diesbezüglich ganz neu austoben. Ich will Spaß, ich will Blödsinn, ich will Rock'n'Roll! Das wird nie langweilig. Außerdem werden wir natürlich jedes Mal andere DJs, Bands und Artists haben.

Und was hat das Tacheles mit euch zu tun?
Auch das hat sich „so ergeben“. Das Kunsthaus Tacheles, der alternative Dorn im stählernen Auge von Berlin Mitte, muss jetzt ja leider schließen, da hat es gerade ein letztes Gerichtsurteil gegeben. Im CUBE werden Teile der Kunstwerke zunächst mal einen Unterschlupf finden. Daher ist dort ab jetzt bis auf weiteres die URBAN ART CLASH Ausstellung zu sehen. Die Jungs sind super, wir arbeiten gerne mit denen. Ich finde es super, dass die Bereiche Street Art, Skateboarding und Party so ineinander fließen können. Insofern kann man die Party auch als doppelten Mittelfinger in Richtung Berliner Kultur- und Sozialpolitik verstehen.

Wie könnt ihr denn ein Festival in der Größe ohne Geld organisieren?
Geld stinkt. Alles weitere hängt daran, dass alle mit ganzem Herzen bei der Sache sind. Jeder kennt jemanden, der auflegen kann, der ein Obstacle hat oder eins bauen kann, der malen kann usw. Es funktioniert, weil wir Skateboarding lieben, weil wir es für uns, für die Szene tun. Und weil alle das spüren und das auch so sehen und mitmachen wollen. Oder mal anders, mal praktisch gesprochen: Jeder hat ein Holzbrett im Keller und ein paar Schrauben im Schrank, dazu Paletten vom Getränkehandel – und du hast einen halben Skatepark zusammen. Das sagt sich nicht nur leicht, das ist es tatsächlich, wenn man denn will und auch macht. Ich glaube, es hängt einfach immer davon ab, wie sehr sich die Leute einbringen. Generell finde ich es wichtig, dass die Leute mehr zusammen machen. Beim Rollberg soll es darum gehen, sich kreativ einzubringen und nicht darum, das Angebot spröde wegzukonsumieren. Und wie gesagt: Basis der ganzen Nummer ist, dass der Betreiber uns mag und seinen Laden bekannt machen will. Das Problem ist, dass coole Menschen immer pleite sind. Deshalb haben wir Wert auf einen kleinen Eintrittspreis und auf eine Happy Hour gelegt.

Vielen Dank für das Interview! Letzte Worte?
Wir hoffen, mit dem Rollberg einen Ort zu schaffen, an dem der Respekt und das Gemeinschaftsgefühl der Skateboard-Szene zelebriert werden kann. Und ich hoffe, dass sich noch viele positive Synergieeffekte dadurch ergeben, dass sich die verschiedenen Berliner Crews vernetzen und mit anderen Bereichen wie Street Art verbinden.

Skate and connect! Skateboard Revolution oder Barbarei! Besonderer Dank und Gruß an Ketchuplane. Long live Rollerei und Kippen Flow! Dasselbe geht raus an alle Unterstützer, Helfer, Sponsoren, Skater, die den Rollberg möglich gemacht haben – you are skateboarding: